Rittigkeitsprobleme bei der Stute – wie viel ist hormonell bedingt

 

Immer wieder werden mir wegen Rittigkeitsproblemen Sportpferdestuten vorgestellt, die gerne in Zusammenhang mit hormonellen Entgleisungen bei der Stute vermutet werden. Allzu schnell wird ohne fundierte Diagnostik eine solche Stute hormonell, gerne mit Trächtigkeitshormonen (Regumate) behandelt. Ein oft vermeintlicher Therapieerfolg stellt sich manchmal subjektiv betrachtet ein, bleibt aus oder ist nicht von längerer Dauer. Nur in seltenen Fällen ist das Problem damit tatsächlich behoben.

Wie bei jeder ernstzunehmenden tierärztlichen Beratung und Therapie setzt diese eine gezielt vorgenommene Befunderhebung voraus, um die richtige Diagnose zu stellen, eine mögliche Therapie einzuleiten und den Kunden über den weiteren Therapie- und Problemverlauf zu informieren. Dies ist nicht immer ganz einfach, denn das Symptom der Rittigkeitsproblematik kann verschiedenste Ursachen haben. So kommen neben den vermuteten gynäkologischen Problemen, auf die ich späterhin noch gerne eingehen werde, auch internistische Probleme, aber auch orthopädische Probleme und schließlich Verhaltensauffälligkeiten als mögliche Ursache infrage. Um nicht das gesamte Krankheitsspektrum an Pferdeerkrankungen in diesem Zusammenhang abzuarbeiten, wird neben einem umfangreich zu erhebendem Vorbericht, dem erhebliche Bedeutung beizumessen ist, auch die tierärztliche und nicht selten auch reiterliche Erfahrung der untersuchenden Tierärzte/innen in diesem Zusammenhang von erheblicher Bedeutung sein.

Die Erstuntersuchung wird dem Untersucher schon Hinweise geben, welche Organsysteme möglicherweise in welcher Reihenfolge zu untersuchen sein werden. Dabei wird nicht selten auffällig werden, dass oft nicht ein Problem allein für die beobachtete Verhaltensabweichung verantwortlich ist, sondern durchaus auch mehrere infrage kommen.

In diesem Artikel möchte ich mich jedoch auf die Probleme, die bei der Stute tatsächlich gynäkologisch manifestiert sind, eingehen. Dabei sind zwei Organbereiche, die verantwortlich sein können, von Bedeutung. Zum einen sind dies die Eierstöcke und zum anderen ist es die Gebärmutter der Stute. Selbstverständlich stehen beide Organsysteme in Wechselwirkung und werden durch vielfältige übergeordnete Hormonkaskaden gesteuert. Schon an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass dieses Hormonsystem unterschiedlichen Einflüssen unterliegt. Dazu zählen sowohl äußerliche Reize (beispielsweise Licht) sowie psychische Stimuli, die auf das Gehirn und entsprechendes Hormonsystem einwirken, als auch innere Faktoren, wie beispielsweise der Ernährungszustand des Pferdes.

Bei der Erfassung gynäkologischer Probleme, die zur Rittigkeitsbeeinflussung führen, ist im Wesentlichen von Bedeutung, ob diese Probleme zyklisch auftreten oder permanent vorhanden sind. Ein zyklisches Auftreten spricht naheliegend für einen Zusammenhang mit dem Hormonzyklus der Rosse und dem damit verbundenen Geschehen an den Eierstöcken. Leicht nachvollziehbar wird es nicht selten nötig sein, um das Organgeschehen zu erfassen, die Stute zu unterschiedlichen Zeitpunkten wiederholt zu untersuchen. Dabei kommen verschiedene Untersuchungsmethoden zur Anwendung.

Neben der generellen, allgemeinen Untersuchung wird das Verhalten der Stute zu erfassen sein. Die spezielle gynäkologische Untersuchung mittels vaginaler Untersuchung, rektaler Untersuchung, Ultraschalluntersuchung von rektal und möglicherweise auch transabdominal (von außen) sind hier zu nennen.

In jedem Fall zählt dazu auch die Hormonuntersuchung im Rahmen eines Blutbildes und gegebenenfalls die Probenentnahme aus der Gebärmutter zur bakteriologischen Untersuchung, aber auch zytologischen Untersuchung erfolgt gerne auch im Rahmen einer endoskopischen Untersuchung. Mit diesen Maßnahmen wird man schnell schon gängige gynäkologische Probleme ausschließen oder vermuten können. Die erhobenen Befunde sind noch in Korrelation zur Jahreszeit zu setzen und bei wiederholter Untersuchung deren Veränderungen zu erfassen. Dabei ist für den kundigen Untersucher zu differenzieren, ob es sich wahrscheinlich um häufiger auftretende oder seltener auftretende Probleme im Bereich der Eierstockfunktion der Stute handelt. Eine Zuordnung zu möglichen Rittigkeitsproblemen kann oft nur im Rahmen eines Therapieversuches geklärt werden. So zählen nicht-ovulierende Follikel (reife Eizellen), die auch dauerhaft sein können, aber auch permanent vorhandene Gelbkörper (Funktionskörper nach Ovulation) zu den gängigsten Problemen. Wesentlich seltener sind Tumore, Eierstockhämatome (Blutergüsse) und Eierstockzysten. Nicht selten werden entsprechende Störungen der Eierstocktätigkeit durch hormonelle Einflussnahmen im Zuge der Rosseunterdrückung, aber auch der unsachgemäßen Hormongabe im Zuge der Hormonsteuerung verursacht. Zu den tierärztlichen verursachten hormonellen Einflussnahmen zählen auch die Einbringung von Glaskugeln (Murmeln) oder Plastikkugeln oder sogenannter iuPODs in die Gebärmutter der Stute, die alle mit einem Ziel appliziert werden, einen Gebärmutterreiz auszulösen, der eine dauer-hafte Trächtigkeit simuliert und somit zu einer Inaktivierung oder zumindest Reduktion der Zyklustätigkeit führen soll und dies auch in einigen Fällen, wo als Mittel der Wahl diagnostiziert, auch macht. Die daraus resultierende Inaktivierung der Eierstockstätigkeit kann sich auf die züchterische Nutzbarkeit späterhin beeinflussend auswirken.

Eierstockveränderungen, die ein manipulatives Eingreifen erforderlich machen, ist neben dem Eierstocktumor, der nicht-ovulierende Follikel, der teilweise zu einer beachtlichen Größe von bis zu 10 cm Durchmesser heranwachsen kann. Es kann daher vorkommen, dass dieser unter Ultraschallkontrolle punktiert werden muss, um so der Stute Abhilfe zu schaffen. Nicht selten kann dabei aus so einem Hohlkörper 500 und mehr Milliliter Flüssigkeit abgesaugt werden, und es ist leicht nachvollziehbar, dass neben der hormonellen Entgleisung hier auch ein organisches Unwohlsein das Pferd beeinflussen wird. Es wird postuliert, dass die Entstehung solcher Eierstockfunktionskörper durchaus mit psychischem Stress, insbesondere in der Rossephase, begünstigt werden und auch ungezielte hormonelle Therapien geeignet sind, das Problem entstehen zu lassen. In diesen Fällen ist der erste Behandlungsversuch oft, über 4-8 Wochen Abwarten und Überprüfen durch Nachuntersuchung. Dies kann schon zum Erfolg führen. Erst danach sollte ein invasiver Eingriff unter Ultraschallkontrolle in Erwägung gezogen werden.

Ein weiterer, viel seltener Krankheitszustand ist das Auftreten eines Ovartumors. Dieser kann selten mit einer Untersuchung allein von anderen Eierstockveränderungen oder nor-malen Eierstockzuständen differenziert werden und somit differenzialdiagnostisch ermittelt werden. Hilfreich und ergänzend notwendig ist dabei die Endokrinologie (Bluthormonuntersuchung), insbesondere die Untersuchung auf Anti-Müller-Hormon und Inhibin. Das Puzzlespiel der Befunderhebung wird in Zusammenhang dann zur Diagnose führen.

Der klassische Tumor ist der sog. Granulasa – Zell – Tumor, der meist ein typisches Bild im Ultraschall liefert, wobei die meisten Stuten dann keinen oder kaum einen Zyklus zei-gen und gehäuft ein Hengst-artiges Benehmen an den Tag legen. Die Therapie besteht in der chirurgischen Entfernung des Tumors – heute gerne einer Kombination aus Laparoskopie (sog. Schlüssellochtechnik) am stehenden Pferd von der Flanke aus und klassischem chirurgischen Vorgehen. Aber auch andere Zugänge, beispielsweise üver den Scheidenvorhof, sind denkbar.

6-8 Monate nach der Entfernung wird sich wieder ein normaler Zyklus auf dem anderen, verbliebenen Eierstock einstellen. Alternativ wird durch Eingreifen in den Hormonhaushalt der Stute mittels eines Impfstoffes (Anti – GnRH – Vakzine), wie das Präparat Improvac® zum Teil erfolgreich versucht das sexuelle Verhalten zum Verschwinden zu bringen. Die Eierstöcke schrumpfen dabei, aber es besteht die begründete Gefahr, dass die Stute späterhin zuchtuntauglich wird. Das Präparat ist Doping und in Deutschland nicht zugelassen und unterliegt damit der Kaskadenregelung.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass das Symptom- Rittigkeitsprobleme bei der Stute durchaus als Folge von Veränderungen am Genitale und des Hormonhaushaltes herrühren kann. Jedoch kann dies meist erst durch eine voll-umfängliche und ggf. wiederholte Untersuchung festgestellt werden. Danach kann durch gezieltes Vorgehen in vielen Fällen den Pferden und ihren Reitern geholfen werden. Ein nicht indiziertes, also durch eine gesicherte Diagnose abgeklärtes Vorgehen ist strikt abzulehnen, da zum einen der Erfolg ausbleiben kann und ggf. Nebenwirkungen, auch unwiderruflicher Art auftreten können.

Deshalb gilt auch hier, dass vor die Therapie die Diagnose zu stellen ist.

Hattersheim im Februar 2021

Dr. Stephen Eversfield

Fachtierarzt für Pferde, Pferdegesundheit Rhein Main, Fachtierarztpraxis Eversfield, Hattersheim

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